Datsun Laurel Julius: Der Nippon-Benz mit Seele!
Japanische Klassiker schweben in der deutschen Oldtimerszene leider unterm Radar. Das möchte ich ändern und den einen oder anderen interessanten Nippon-Klassiker ins Licht rücken. Julius ist so ein Kandidat, der es verdient hat, nicht vergessen zu werden. Julius ist ein Datsun Laurel 2,8 D aus dem Jahre 1981. Oft vergessen: Diese Fahrzeuge brauchen in mancherlei Hinsicht den Vergleich mit einem Mercedes-Benz 123 nicht zu scheuen. In dieser Story hat nicht nur der Besitzer etwas zu erzählen. Auch Julius scheint die Gabe zu besitzen, seine Befindlichkeiten zu äußern! Mit schwarzer Tinte aus der Ölwanne! Nach einer kleinen geschichtlichen und technischen Einführung kommen Michael und Julius zu Wort.
Luxusjapaner im Laufe der Jahre: Nissan Datsun Laurel
Ende der 1960er Jahre begann der LKW-Spezialist Nissan, seine Produktpalette auf die obere Mittelklasse auszuweiten. Oberhalb des Nissan Skyline wurde der Nissan Laurel 1968 vorgestellt. Die ersten Modelle spielten in Europa leider keine Rolle. Schade eigentlich. Es waren durchaus Fahrzeuge, die in Design und Technik das Zeug gehabt hätten, das Abendland zu erobern.
Erst ab 1977 kam der Nissan Laurel unter der Bezeichnung Datsun 200 L als Limousine und Coupé nach Deutschland. Nicht ohne Erfolg! Allein in puncto Ausstattung konnten ihm europäische Fahrzeuge kaum die Stirn bieten. Erst recht nicht bei den aufgerufenen Preisen von 14.490 bis 15.490 D‑Mark für einen Zweiliter-Reihensechszylinder mit 96 PS.
1980 kam der Nissan Laurel (C31) auf den Markt (in Deutschland anfangs als Datsun Laurel). Auch dieser erzielte in Deutschland gewisse Erfolge. Sicher, nicht der ganz große, aber der Laurel zeigte, dass Zuverlässigkeit, Sparsamkeit und Luxus durchaus zusammenpassen. Und das nicht nur in der Premium-Liga von Mercedes-Benz und BMW. Neben der Basismotorisierung (1,8-Liter-Vierzylinder) gab es auch 2,0-Liter-Vier- und Sechszylinder mit und ohne Turbo, einen 2,4-Liter-Reihensechszylinder, einen 2,0-Liter-Diesel und den „Königsdiesel“ mit 2,8 Litern Hubraum.
Insbesondere die großen Benziner und Diesel hatten eine für diese Zeit beeindruckende Ausstattung. Elektrische Fensterheber, Zentralverriegelung, Servolenkung, Scheinwerfer-Wischwaschanlage und hochwertige Velourausstattung gehörten hier zur Grundausstattung.
Vergleichbare Fahrzeuge dieser Klasse mit einer solchen Motorisierung und Ausstattung konnten damals lediglich der BMW 524 d und der Volvo 240 bieten. Allerdings zu weitaus höheren Kosten!
1984 wurde die fünfte Generation des Nissan Laurel präsentiert. Jedoch kam dieser erst 1986 auf den deutschen Markt. Besonders unter Taxifahrern war der weiterhin angebotene 2,8-Liter-Diesel beliebt. Bis 1989 wurde der Laurel als Limousine in Deutschland angeboten. Die Nachfolge trat der Nissan Maxima an. Produziert wurde der Nissan Laurel in weiteren Generationen bis 2002. Allerdings nicht mehr für den europäischen Markt.
Der Königsdiesel: Ein legendärer Dauerläufer!
Einen guten Ruf hat sich der 2,8-Liter-Dieselmotor des Nissan Datsun Laurel erarbeitet. Schaut man unter die Haube erkennt man sofort: Nissan als großer LKW-Spezialist hatte den Sechszylinder aus einem Guss gefräst! Kein unnützer Schnickschnack, ein Motor der funktioniert. Ein Antrieb der eine Reise von Berlin nach Solingen zu einem entspannten Ausflug macht. Gut, die Geräuschkulisse ist mit modernen Dieselmotoren nicht vergleichbar. Sie erinnert uns an Zeiten, in denen robuste und effiziente Motoren gefragt waren. An Zeiten des Volkswagen LT oder an alte Diesel-Volvo.
Nicht umsonst wurde dieser Langläufer bis in die 2000er Jahre verwendet. Auch der Nissan Patrol kam ab 1986 in den Genuss des nahezu unkaputtbaren Reihensechsers. Dort allerdings mit einem Turbolader und 115 PS. In Deutschland wurden auch 2,0- und 2,4-Liter-Reihensechszylinder angeboten. Auch diese Triebwerke erwiesen sich als sehr robust, allerdings auch recht trinkfreudig.
Viele der Diesel-Laurel sind letztendlich in Afrika gelandet wo sie aufgrund ihrer Zuverlässigkeit und einfachen Technik beliebt waren. Heute ein gutes Exemplar des Datsun-Oldtimers zu finden ist nahezu aussichtslos. Aber vielleicht macht gerade dies den Reiz aus. Ein Nissan Datsun Laurel steht auf Oldtimer-Events meist im Mittelpunkt. Kaum jemand, der sich an den robusten und luxuriösen Japaner erinnern kann. Das schürt die Neugier!
Es sind die Kleinigkeiten des Nissan Datsun Laurel!
So unverwüstlich ein Nissan Laurel auch sein mag, manchmal geht dennoch etwas kaputt. Alte Dichtungen lassen schon mal etwas Öl verlorengehen und auch der elektrische Wurm verirrt sich zuweilen in den japanischen Klassiker. Doch vor allem kämpft er mit dem Rost. Typische Schwachstellen sind:
- Radläufe
- Schweller
- Türunterkanten
- Heckabschlussblech
- Bodenbleche
Die Versorgung mit passenden Ersatzteilen ist gemischt. Typische Verschleißteile lassen sich häufig ohne große Probleme auftreiben. Schwieriger wird es bei Blechteilen. Besonders bei Teilen für die seltenen Hardtop- oder Kombimodelle wird es haarig. Nicht selten steckt der Teufel im Detail. Zierteile oder Elemente der Innenausstattung sind kaum erhältlich. In Michaels Fall bedeutete ein kleines Kunststoffzahnrad für den Antrieb des Tachos das Aus.
Doch nun lassen wir Michael, den Besitzer dieser Rarität, erzählen:
Datsun Laurel: Einer mit Seele!
Dass Menschen eine Seele haben, ist in weiten Kreisen unumstritten. Bei Tieren gehen die Ansichten schon eher auseinander. Aber beseelte Gegenstände? Da schütteln wohl die allermeisten Zeitgenossen verständnislos den Kopf oder fassen sich an denselben.
Dennoch gibt es sie. Und damit meine ich nicht den Teddybären aus der Kinderzeit – dem alten Freund aus vergangenen Tagen würden viele wohl noch am ehesten eine Seele zubilligen. Nein, mein Julius wohnte seit mehr als 18 Jahren in meiner Garage, nachdem ich ihn zunächst aus einer anderen befreien musste, wo er rund 20 Jahre in Dunkelhaft verbringen musste.
Es begann mit einer Anzeige. Sie fiel mir auf, als ich ein passendes Zugfahrzeug für einen unserer klassischen Wohnwagen suchte. Am liebsten hätte ich einen Benz gehabt, doch die große Liebe meines Lebens ist ein Arbeiterkind aus der Nordstadt und lehnte das Ansinnen kategorisch ab. Ein Opel Rekord D stand zu weit entfernt in Schweden, ein Peugeot 604 Turbodiesel war zu rostig. Dann fand ich diese Offerte, in der ein Datsun Laurel mit Sechszylinder-Dieselmotor angeboten wurde, aus Erstbesitz und ungeschweißt – allerdings seit 20 Jahren unbewegt in einer Garage im Speckgürtel von München, über 500 Kilometer entfernt.
Wie sich herausstellte, war der Erstbesitzer alleinstehend verstorben. Er hatte seinen Laurel nach Verlust des Führerscheins abgemeldet, aber nie verkauft. Die Entsorgungsfirma, die im Auftrag der Erben die Eigentumswohnung mit unverbaubarem Blick auf den Ammersee (was das Einzige war, was sie interessierte) räumen sollte, ahnte nichts davon, dass der Wagen immer noch existierte. Davon erfuhr sie erst von einem Hausmeister. Da hatten die eifrigen Entsorger den Fahrzeugbrief aber bereits dem Reißwolf überantwortet.
So sollte der Datsun nun ohne Papiere verkauft werden – und zwar zügig, denn die Wohnung sollte am Jahresende besenrein an den Käufer übergeben werden. Entdeckt hatte ich die Annonce, in der die Limousine angeboten wurde, Anfang Dezember. Die gebotene Eile war der Grund, warum ich den Wagen zu einem Preis erwerben konnte, der weit unter den geforderten 2800 Euro lag.
Zu neuem Leben erweckt zur ersten großen Tour nach etwa 20 Jahren!
So fuhr ich am Tag vor Heiligabend 2006 vom Ruhrgebiet nach Süden, mit meinem Van samt Trailer, zwei Menschen aus meinem Freundeskreis und roten Kennzeichen (die man sich damals noch leihen konnte). Bei minus 18 Grad wechselten mein Freund Mark und ich in der ungeheizten Garage sämtliche Betriebsflüssigkeiten, derer wir habhaft werden konnten. Danach baute ich die mitgebrachte Batterie ein, glühte ein paarmal vor und startete den Sechszylinder-Diesel zum ersten Mal seit rund zwei Jahrzehnten.
Er sprang auf Anhieb an, lief binnen kurzem auf allen Zylindern und erwies sich bei einer kurzen Runde um den Block als voll funktionstüchtig – als hätte er nur auf seine Befreiung gewartet. Selbst der uralte Diesel im Tank machte keine Probleme. So entschloss ich mich, den Laurel auf eigener Achse nach Dortmund zu fahren – sehr zum Unverständnis meiner Begleiter Conny und Mark. Vor allem letzterer äußerte Zweifel, ob ich ankommen würde. Das stachelte meinen Ehrgeiz natürlich an – und offenbar auch den meiner Neuerwerbung.
Lediglich die Reifen liefen erstmal recht unrund, und der total ausgehärtete Keilriemen riss nach wenigen Dutzend Kilometern und rief den ADAC auf den Plan. Der als Ersatz aufgespannte Riemen war zu lang und zu schmal und zerstörte sich auf den nächsten paar Hundert Kilometern weitgehend selbst. Aber er reichte aus, um uns bis kurz vor das Ziel zu bringen. Auf der A45 bei Lüdenscheid war Batteriewechsel angesagt, aber wir erreichten meinen Hof, wo ich den Laurel erstmal abstellte.
Julius spricht!
Nach Eintragung auf meiner Nullsiebener-Nummer und einiger notwendiger Optimierungsarbeiten erwies sich der goldfarbene Viertürer als zuverlässige Reiselimousine, mit der es zumeist mit einem klassischen Tabbert-Wohnwagen im Schlepptau zu einschlägigen Oldtimerveranstaltungen ging. Beim Start zu einer solchen Fahrt fing der von mir inzwischen Julius genannte Datsun an zu bocken. Nachdem ich ihn dennoch auf die Autobahn zwang, qualmte er noch eine Weile protestierend vor sich hin und ergab sich dann in sein Schicksal. Das Ergebnis: ein kaputter Blinker, eine hängende Stoßstangenecke und eine Beule im linken Vorderkotflügel infolge eines Parkplatzremplers.
Was weder mein sechszylindriger Japaner noch ich ahnen konnten, war offenbar, dass mir wenige Monate später eine angetrunkene junge Dame in der sattsam bekannten Herrgottsfrühe mit ihrem Mazda in das hintere linke Seitenteil einschlagen würde. Das Geld, das die gegnerische Versicherung als adäquaten Ausgleich ansah, reichte gerade aus, einen Teileträger zu erwerben – immerhin gab es die damals noch!
Danach lief Julius einwandfrei, bis wir im nächsten Frühjahr zu einem Camping-Oldtimertreffen an die Weser wollten. Diesmal machte er mit Lichteffekten im Armaturenbrett und Störungen im Radio auf sich aufmerksam. Wie ich feststellte, hatte sich die Batterie gelockert und dafür gesorgt, dass das Pluskabel an der Riemenscheibe der Nockenwelle schliff. Diesmal nahm ich die Warnzeichen zur Kenntnis und wählte ein anderes Zugfahrzeug für die Fahrt zum Campingtreffen an der Weser.
Einige Tage später nutzte ich Julius für eine Fahrt im Nahbereich. Als ich ihn Stunden nach dem Abstellen auf seinen Stammplatz fuhr, zog sich vom Abstellort aus eine Ölspur in die Garage. Die umgehende Kontrolle auf der Hebebühne in der Werkstatt eines Bekannten offenbarte ein Loch in der Abschlussglocke des Getriebes. Es war ungefähr daumennagelgroß, halbmondförmig und von innen her entstanden. Offenbar hatte sich die Welle, auf der sich die Ritzel für den fünften Gang und den Rückwärtsgang befanden, durch die Glocke gearbeitet. Hätte ich Julius zu der Fahrt an die Weser gezwungen – ich wäre gewiss unterwegs mit dem gesamten Wohnwagengespann mit Getriebeschaden liegengeblieben. Danach gelobte ich Julius feierlich, künftig auf ihn zu hören.
Ein Datsun Laurel mit Gefühlen!
Meine Frau Tina mochte den alten Datsun nicht. Sie empfand ihn als unbequem, unübersichtlich und fuhr ihn nicht freiwillig. Irgendwann begann die Antipathie offenbar auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Während der Renovierung der Fassade unseres Hauses hatte ich unsere Doppelgarage als Materiallager zur Verfügung gestellt. Julius musste also ausziehen, auf einen Stellplatz in der erweiterten Nachbarschaft. Die Renovierung zog sich, und die Eigentümer wollten ihren Parkplatz irgendwann selbst wieder nutzen.
Weil ich zu diesem Zeitpunkt beruflich in München war, bat ich Tina, den alten Burschen dort abzuholen. Als ich Tage später heimkam, erwartete mich kein Julius vor unserem Haus. Wie ich von meiner Frau erfuhr, stand er ein Stück weit entfernt. „Da haben wir ihn hingeschoben, weil er nicht ansprang“, lautete die Begründung. Ich machte mich sofort auf den Weg. Als ich Julius starten wollte, kam vom Anlasser nur ein schnarrendes Geräusch. Nach dem zweiten vergeblichen Versuch versetzte ich ihm einen Klaps aufs Armaturenbrett mit der Bemerkung: „Lass den Unsinn – ich bin das!“ Zack, sprang der Sechszylinder an! Das Phänomen trat danach nie wieder auf.
Fünfmal um die Welt in 18 Jahren und ein trauriger Abschied!
Mehr als 18 Jahre lang und rund 200.000 Kilometer weit – die weiteste Wohnwagentour ging nach Skandinavien – sind wir zusammen gereist. Der Entschluss zur Trennung fiel aufgrund der zunehmend prekären Ersatzteillage. Die Suche nach einem Satz Bremsscheiben für die Vorderachse dauerte drei Monate, eine passende Dieselpumpe gab es gar nicht mehr. Da half nur die Überholung des Aggregats im EU-Ausland.
Als der TÜV Julius den Segen verweigerte, weil der Tachoantrieb im Getriebe den Dienst quittiert hatte und Ersatz nirgends mehr aufzutreiben war, musste ich einsehen, dass unsere gemeinsame Zeit zu Ende ging. Ich verkaufte Julius schweren Herzens an einen Sammler und Nissan-Mitarbeiter, in der Hoffnung, dass er dort noch möglichst lange unterwegs sein kann. Mach‘s gut, mein Großer!
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